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Kontext

Um das Engagement der Führungsebene für Managementsysteme zu erhöhen, wurden immer mehr Anforderungen in die Managementsystemnormen eingebaut (ISO 9001 – Qualität, ISO 14001 – Umwelt, ISO 45001 – Arbeitssicherheit, ISO/IEC 27001 – Informationssicherheit etc.), die sich auf Führungsarbeit beziehen.

Der Kontext der Organisation beinhaltet die Auseinandersetzung mit dem Umfeld der Organisation und ist somit ein Baustein der Strategieentwicklung.
Es geht darum, die externen und internen Aspekte zu verstehen, die für den Zweck und die strategische Ausrichtung der Organisation von Bedeutung sind und die die Fähigkeit der Organisation, die beabsichtigten Ergebnisse ihres Managementsystems zu erreichen, positiv oder negativ beeinflussen können (Herausforderungen, Hindernisse). Die Organisation sollte sich bewusst sein, dass sich externe und interne Aspekte ändern können und daher überwacht und überprüft werden sollten. Eine Organisation sollte ihr Umfeld in geplanten Abständen überprüfen, analysieren und gegebenenfalls Massnahmen ableiten.

Informationen über externe und interne Themen können aus vielen Quellen bezogen werden, z. B. durch interne, dokumentierte Informationen und Besprechungen, in der nationalen und internationalen Presse, auf Websites, in Veröffentlichungen der nationalen statistischen Ämter und anderer staatlicher Stellen, in Fachzeitschriften und technischen Publikationen, auf Konferenzen und bei Besprechungen mit den zuständigen Stellen, bei Besprechungen mit Kunden und anderen interessierten Kreisen sowie in Berufsverbänden

Interessierte Parteien (Stakeholder)

Wer die interessierten Parteien (Stakeholder) kennt, baut neue Beziehungen auf. Die Pflege von Beziehungen führt zu neuen Erfahrungen und erhöht die Widerstandsfähigkeit, die Agilität und die Fähigkeit zur Innovation in einer Organisation.

Die Betrachtung der interessierten Parteien (Anspruchsgruppen, Stakeholder) hat sich mit der Zeit entwickelt. Im ersten Schritt orientierte man sich primär an den Anforderungen der Kunden. Als Erweiterungsschritt nahm man die Lieferanten dazu, weil diese oft einen direkten Einfluss auf die Leistung gegenüber dem Kunden haben. Organisationen müssen sich aber auch immer mehr mit den Einflüssen vieler Anspruchsgruppen auseinandersetzen. Es geht darum durch eine Analyse der Anspruchsgruppen Massnahmen abzuleiten, um für die Organisation vorteilhafte Beziehungen aufzubauen und zu pflegen.

Die Organisation sollte die wesentlichen Anforderungen der relevanten interessierten Parteien berücksichtigt, die über die Anforderungen ihrer direkten Kunden hinausgehen. Die Absicht ist, sich nur auf die relevanten interessierten Parteien zu konzentrieren, die einen Einfluss auf die Fähigkeit der Organisation haben können, Produkte und Dienstleistungen zu liefern, die die Anforderungen erfüllen.

Die Liste der relevanten interessierten Parteien kann für die Organisation einzigartig sein. Die Organisation kann Kriterien für die Bestimmung relevanter interessierter Parteien entwickeln, indem sie deren:

  • möglichen Einfluss oder Auswirkungen auf die Leistung oder Entscheidungen der Organisation;
  • die Fähigkeit, Risiken und Chancen zu schaffen;
  • mögliche Einflüsse oder Auswirkungen auf den Markt;
  • die Fähigkeit, die Organisation durch ihre Entscheidungen oder Aktivitäten zu beeinflussen.

Erläuterungen

Es handelt sich nicht um neue Anforderungen, sondern um eine Präzisierung. Die allgemeine Absicht der Anforderungen der Abschnitte 4.1 und 4.2 bleibt unverändert. Diese Abschnitte beinhalten bereits die Notwendigkeit für die Organisation, alle internen und externen Aspekte zu berücksichtigen, die die Wirksamkeit ihres Managementsystems beeinflussen können.

Die neuen Elemente sollen sicherstellen, dass der Klimawandel im Managementsystem berücksichtigt wird. ISO will damit zum Ausdruck bringen, dass der Klimawandel ein externer Faktor ist, der für die Gesellschaft wichtig genug ist, um von den Organisationen zu verlangen, ihn zu berücksichtigen.

Es ist zu beachten, dass sich der Klimawandel auf jede Art von Managementsystem anders auswirken kann. Die Auswirkungen auf ein Qualitätsmanagementsystem können beispielsweise ganz anders sein als die auf ein Arbeitssicherheits-Managementsystem.

Die Änderungen zielen nicht darauf ab, beispielsweise ein Audit des Managementsystems für Arbeitssicherheit oder ein Audit des Sicherheitsmanagementsystems im Strassenverkehr zu einem Audit zu machen, das den Klimawandel unverhältnismässig stark berücksichtigt, womit natürlich die Bedeutung des Klimawandels nicht unterschätzt werden soll.

IAF und ISO möchten betonen, dass der Klimawandel ein wichtiges Thema ist, und dass die Hinzufügung von Klimaaspekten sehr wichtig ist. Die Normen für Managementsysteme haben bisher schon die Notwendigkeit beinhaltet, dass alle Themen, die das Managementsystem betreffen, von der Organisation berücksichtigt werden müssen. Daher haben viele Organisationen, die ein Managementsystem implementiert haben, den Klimawandel bisher bereits in Betracht gezogen.

Das Thema wird in den Audits angesprochen. Die Normversion ändert nicht. Es werden keine neuen Zertifikate ausgestellt.

Schlussfolgerungen

Die Massnahme erscheint etwas hektisch und unkonventionell, wenn man das Verfahren für die Weiterentwicklung der ISO-Normen betrachtet. Aufgrund der «ISO London Declaration» (24.09.2021), sah man sich wohl aufgefordert sichtbare Massnahmen zu ergreifen.

Es ist keine Übergangsfrist vorgesehen.

Die angefügten Anforderungen verlangen nicht den Einsatz einer bestimmten Methode und sind vage formuliert.

Grundsätzlich sind Einflüsse durch den Klimawandel aus dem Kontext und den Forderungen von interessierten Parteien bisher schon in den Normen eingeschlossen, falls diese relevant sind. Durch die Ergänzungen muss der Klimawandel namentlich erwähnt werden.

Den Einfluss auf die Organisationen allein daran auszurichten, was die Zunahme der durchschnittlichen Temperatur um mehr als 1,5 °C für direkte Folgen hätte, greift sicher zu kurz. Andererseits, hinter jeder Tätigkeit einer Organisation einen Einfluss auf das Klima zu sehen, geht zu weit. Die Einflüsse durch das Umfeld insgesamt und die interessierten Parteien sind vielfältig. Es ist mit neuen Gesetzen zu rechnen (Klimaschutzgesetz), Lieferanten können Produkte verändern (Circular Economy, Recycling, Upcycling), Transportkosten können steigen, Transportwege können beeinflusst werden. Kunden können Anforderungen stellen (CO2 neutrale Produktion) etc.

Millionen von Organisationen haben eine oder mehrere der ISO-Managementsystemnormen in einer Vielzahl von Wirtschaftszweigen, in verschiedenen Arten und Grössen von Organisationen, die unter unterschiedlichen geografischen, kulturellen und sozialen Bedingungen tätig sind, eingeführt und sind nach diesen zertifiziert. Der Klimawandel ist ein Thema, das sich auf viele verschiedene Bereiche einer Organisation auswirken kann: Lieferketten, Gesundheit und Sicherheit der Mitarbeitenden, Verfügbarkeit und Nutzung von Ressourcen und Energie, Geschäftskontinuität und Widerstandsfähigkeit, Anlagenmanagement und Erfüllung von Kunden-, Verbraucher- und Vertragsanforderungen sowie anderer Erwartungen der relevanten Interessengruppen.

Ein weit verbreiteter Irrglaube ist, dass Überlegungen zum Klimawandel auf Organisationen beschränkt sind, die sich für die Einführung eines Umweltmanagementsystems wie ISO 14001 entschieden haben. Tatsächlich sind die meisten Organisationen wahrscheinlich auf die eine oder andere Weise vom Klimawandel betroffen und müssen sich möglicherweise an ihn anpassen, um ihre Ziele und ihren strategischen Zweck weiterhin zu erfüllen. Organisationen können sich auch dafür entscheiden (oder von relevanten interessierten Parteien dazu aufgefordert werden), Massnahmen zur Abschwächung des Klimawandels im Rahmen ihrer Tätigkeiten zu ergreifen. Beide Elemente, Anpassung an den Klimawandel und Abschwächung des Klimawandels, werden nun in der harmonisierten Struktur für Managementsysteme behandelt.

Für die Anwender von Managementsystemnormen ist die Bestimmung der Themen, die für ihren Anwendungsbereich und Zweck relevant sind, keine neue Anforderung. Viele Organisationen haben bereits darüber nachgedacht, wie sich der Klimawandel auf ihr Geschäft auswirken kann, und haben festgestellt, ob es sich um ein relevantes Thema handelt, das in ihrem speziellen Kontext behandelt werden muss oder nicht. Dies wird wiederum in ihre Richtlinien und Ziele eingeflossen sein und als Teil ihrer Risiko- und Chancenmanagementprozesse umgesetzt werden.

Für Organisationen, die jetzt zu verstehen beginnen, wie sich die Anpassung an den Klimawandel und die Abschwächung des Klimawandels auf ihre Tätigkeiten auswirken könnten, wird diese Änderung im Text der Harmonisierten Struktur zusätzliche Motivation sein.

Umsetzung

Die Konsequenzen aus den Ergänzungen sind für jede Organisation unterschiedlich. Es geht darum mit geeigneten Massnahmen die Situation zu analysieren, um die Relevanz der Themen zu bestimmen und anschliessend Massnahmen umzusetzen:

4.1 Verstehen der Organisation und ihres Kontextes

Die Organisation muss ermitteln, ob der Klimawandel ein relevantes Thema ist.

Vorgehen:         Die Organisation schliesst den Klimawandel als externes Thema in die Analyse ein. Die Organisation macht dazu eine Aussage in der Managementbewertung.

 

4.2 Verstehen der Erfordernisse und Erwartungen interessierter Parteien

ANMERKUNG: Relevante interessierte Parteien können Anforderungen im Zusammenhang mit dem Klimawandel haben.

Vorgehen:         In der Analyse der Anforderungen der interessierten Parteien müssen auch die Bedürfnisse und Forderungen im Zusammenhang mit dem Klimawandel berücksichtigt werden.
Aus der Analyse ergibt sich die Notwendigkeit von Massnahmen, die festzulegen und umzusetzen sind. Das entspricht dem bekannten Vorgehen im Verbesserungsmanagement (Stichwort: PDCA).
Die Organisation macht eine Aussage in der Managementbewertung.

 

Ergänzende Leitlinien

Die Auseinandersetzung mit dem Kontext und den interessierten Parteien ist Aufgabe der Führung einer Organisation. Sie gehört zu den grundlegenden Überlegungen und liefert Informationen zum Festlegen der Vision, der Mission, dem Leitbild/der Politik und der Strategie. Die Erfahrung der letzten Jahre aus vielen Audits zeigt, dass sich viele Organisationen mit diesen zwei Themen schwertun. Kontext und interessierte Parteien werden vermischt. Der Kontext wird kaum beachtet, obwohl dazu sicher in jeder Beschreibung über die Strategie etwas steht. Das Thema der interessierten Parteien wird zu wenig umfassend analysiert und die daraus abgeleiteten Massnahmen sind nicht erkennbar verbunden. Es wird zu wenig erkannt, dass es um zwei Themen geht, die von der Führung zu behandeln sind und die sich auf viele Tätigkeiten in der Organisation auswirken sollten. Wenn man z. B. zu Lieferanten ein gutes Verhältnis pflegen will, sollte das in der Kommunikation und in der Interaktion erkennbar sein. Lieferanten sollten pünktlich bezahlt werden und als Folge davon in der Liquiditätsplanung entsprechend berücksichtigt sein. Wenn behördliche Vorschriften einen grossen Einfluss haben, sollten Entwicklungen so verfolgt werden, dass Veränderungen früh erkennbar werden und man sich darauf einstellen kann. Es gibt noch viele weitere Beispiele.

Beduerfnisse-Erwartungen

Kontext

Um die Bedürfnisse und Erwartungen der relevanten interessierten Parteien zu verstehen, können verschiedene Aktivitäten und Methoden durchgeführt werden. Dazu gehört die Zusammenarbeit mit den Prozessverantwortlichen oder die Anwendung von Methoden, die das Sammeln von Informationen ermöglichen. Zu den Methoden gehören unter anderem:

  • Überprüfung der eingegangenen Aufträge;
  • Überprüfung der gesetzlichen und regulatorischen Anforderungen mit den Compliance- oder Rechtsabteilungen;
  • Lobbyarbeit und Networking;
  • Teilnahme an einschlägigen Verbänden;
  • Benchmarking;
  • Marktüberwachung;
  • Überprüfung der Beziehungen in der Lieferkette;
  • Durchführung von Kunden- oder Nutzerumfragen;
  • Überwachung der Bedürfnisse, Erwartungen und Zufriedenheit der Kunden
Beispiele interessierte Parteien

Interessierte Parteien

Beispiele für einschlägige Anforderungen an interessierte Parteien sind unter anderem:

  • Kundenanforderungen in Bezug auf Konformität, Preis, Verfügbarkeit oder Lieferung
  • Verträge, die mit Kunden oder externen Anbietern geschlossen wurden
  • Branchenkodizes und -normen
  • Vereinbarungen mit gesellschaftlichen Gruppen oder Nichtregierungsorganisationen
  • gesetzliche und behördliche Vorschriften für das angebotene Produkt oder die Dienstleistung und solche, die sich auf die Fähigkeit der Organisation auswirken, dieses Produkt oder diese Dienstleistung anzubieten
  • Memoranda of Understanding
  • Genehmigungen, Lizenzen oder andere Formen der Autorisierung
  • Anordnungen von Aufsichtsbehörden
  • Verträge, Konventionen und Protokolle
  • Vereinbarungen mit Behörden und Kunde
  • freiwillige Grundsätze oder Verhaltenskodizes
  • freiwillige Etikettierung oder Umweltverpflichtungen
  • Verpflichtungen, die sich aus vertraglichen Vereinbarungen mit der Organisation ergeben
  • Richtlinien für die Mitarbeitenden